Tourtipp Rundtour ländlich Erftkreis
Rundtour, hauptsächlich durch ländliches Gebiet. Der Tagebau Hambach ist ein einzigartiger Schmelztiegel struktureller Entwicklungen, sowohl wirtschaftlich wie ökologisch, sozial wie landschaftsplanerisch. Jetzt schon eines der tiefsten Löcher der Erde, werden Pläne für einen gigantischen See aufgestellt. Das Landschaftsbild ist nachhaltig verändert, die Sophienhöhe bereits heute ein 300 Meter hohes Berggebilde, das prägend wirkt und weithin zu sehen ist. Neue Landschaftsstrukturen entstehen, die auch irgendwann als natürlich empfunden werden.
Dieses Gesamtphänomen wollen wir er-fahren.
anregend 6–7 Std 150 Höhenmeter
Anregend. Die Tour führt durch flaches Gelände und überwiegend über Wald- und Wirtschaftswege bzw. Radwege. Auf einigen Abschnitten sind kurze Abschnitte auf Landstraßen notwendig. Sie ist als Tagestour geplant und bei durchschnittlicher Kondition gut zu schaffen.
kulturell
"#heimatnatur – Exkursionen mit dem Fahrrad in eine vertraute unbekannte Heimat" ist ein Projekt, das vom Katholisch-Sozialen Institut mit verschiedenen Partnern der Erwachsenenbildung getragen und vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW gefördert wird. Mit drei Exkursionen in verschiedenen Regionen geht #heimatnatur der Frage nach, wo wir Heimat empfinden, wo wir „unberührte“ Natur suchen und was wir tun müssen, um unser Lebensumfeld zu bewahren und zu schützen?
Die Tour wurde am 08. Oktober 2022 vom Katholisch-Sozialen Institut gemeinsam mit dem Katholisches Bildungsforum Rhein-Erft, dem Umweltmanagement und der Abt. Gemeindepastoral des Generalvikariates Köln, dem Edith-Stein Exerzitienhaus, Erzbistum Köln und dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub ADFC als geführte Radexkursion durchgeführt. Die gezeigten Videos und Fotos sind dabei aufgezeichnet worden.
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Buir: Am Bahnhof in Kerpen-Buir startet die Rundtour. Die gegenüberliegende alte ehemalige Malzfabrik zeigt, dass sich diese Region in einer hochdynamischen Umstrukturierung befindet, die vor allem vom Tagebau bestimmt wird. Landwirtschaftsflächen und Ortschaften sind verschwunden. Der Ort Buir ist selbst davon nicht betroffen, auch deshalb nicht, da er an der wichtigen Eisenbahnlinie Köln - Aachen liegt.
Der Hambacher Forst ist zum Inbegriff des zivilen Widerstands gegen Abholzung und Vernichtung von Natur, gegen Willkür und Gewinnoptimierung geworden. Die Waldbesetzer haben mit den Baumhausaktionen Zeichen gesetzt und damit auch eine Diskussion in Gang gebracht, die politisch etwas bewirkt hat. Dennoch sind die Fragen nicht einfach oder eindimensional. Dem Bedürfnis nach Naturerhaltung steht das Bedürfnis nach Energieversorgung gegenüber.
Das Camp der Waldbesetzer existiert noch, heute allerdings eher mit unterschiedlichen Gruppierungen.
Alte Idylle und Tagebau kombiniert sich an dieser Stelle, an der wir kurz vor Morschenich vorbeikommen.
Dr. Wolfgang Stöcker, Historiker und Künstler führte an dieser Station die Gruppe in die Gesamtthematik ein und beschreibt die Entwicklungen und das Lebensgefühl der Menschen am Tagebau in den zurückliegenden Jahrzehnten:
Mein Part war der Auftakt, direkt auf dem noch nicht ganz verwaisten Kirchhof an St. Lambertus in Morschenich. Ich kenne die Gegend seit meiner Kindheit, bin in Kerpen aufgewachsen. Das "Rheinbraunloch", der Tagebau Frechen, war Normalität. Jährlich wurde der Tagebau von allen SchülernInnen umwandert. "Volkswandertag" nannte sich diese eigenartige Pflichtaktion. Als "Belohnung" erhielten alle eine Medaille in Form eines Schaufelradbaggers. Würde heute noch jemand um den "Hambi" wandern und sich anschließend einen Bagger um den Hals hängen? Die Zeiten haben sich sehr geändert. Unsere Kritik an der Braunkohle ist gewachsen, unser Energieverbauch ebenso. Die Tagebaulandschaft zwischen Köln und Aachen offenbart diese höchst ambivalente Wirklichkeit.
Als Hambacher Forst wird heute das restliche Waldgebiet genannt, das vor der Rodung aus zwei nebeneinanderliegenden Waldgebieten bestand, dem Hambacher Forst und dem Bürgewald. Er wird auch als Ur-Hambacher Forst bezeichnett und war jahrhundertelang Gemeingut , d.h. im allgemeinen Besitz. Dieses über 12.000 Jahre bestehende Waldgebiet erstreckte sich über 4000 Hektar von denen heute noch ca. 200 Hektar bestehen. Der Mischwald ist auch heute noch ein wichtiges Biotop mit alten Bäumen und zu schützenden Tierarten. Die Region ist altes Kulturland, das bereits in vorrömische Zeit besiedelt war.
Der Bürgewald wird besonders mit Karl dem Großen in Verbindung gebracht, wie Dr. Wolfgang Stöcker ausführt. Der Legende nach soll der später heiliggesprochene Arnold von Arnoldsweiler, Karl dem Großen, dem die Waldgebiete unterstanden, durch eine Abmachung bei einer Jagd viel Waldgebiet zur Versorgung der Armen abgerungen haben. Die Abmachung bestand darin, dass Arnold während der Dauer des Festmahls bei einer Jagd ein Waldgebiet mit dem Pferd umreiten könne, dass er dann zur Schenkung bekommen würde. Seine List bestand darin, dass bereits an verschiedenen Stellen frische Pferde für ihn bereitstanden, so dass er ein sehr großes Areal abreiten konnte.
So hat der Wald seit Jahrhunderten zur Identität der Menschen dazugehört und Ihre Existenz gesichert.
Sehr spannend ist der Blick vom Tagebaurand in den Tagebau hinab. 400 Meter tief ist dieses gewaltige Loch und bietet einen für Geowissenschaftler faszinierenden Blick in die Erdgeschichte des Tertiärs.
Ganz unten in dunkelbraun auf der Sohle des Tagebaus das Braunkohleflöz. Vor mehr als 30 Millionen Jahren brach die Niederrheinische Bucht ein und sinkt seither weiter nach unten. Von Norden drang die Nordsee in dieses Senkungsgebiet und stieß bis Königswinter vor. Meeressande lagerten sich ab, an den Küsten bildeten sich gewaltige Sümpfe. Die Niederrheinische Bucht sank stetig weiter nach unten, die Pflanzen in den Sümpfen wuchsen nach oben, aus dem abgestorbenen Material bildete sich Torf, später Braunkohle. Etwa 23 Millionen Jahre alt sind die Flöze der Rheinischen Braunkohle. Sie wurden wiederum von Meeresablagerungen bedeckt, aber irgendwann zog sich die Nordsee zurück und der Rhein schüttete seine Flusssedimente über die Meeressedimente. Wir sehen als oberste Ablagerungen einige zehnermeter dicke Schichten mit Kieselsteinen, besser gesagt Rheingeröllen. Diese Ablagerungen bilden die sogenannte Hauptterrasse des Rheins und sind etwa 800.000 Jahre alt. Der Rhein war damals recht breit, keine geschlossene Wasserfläche, aber ein Vielzahl von Wasserrinnen, die zwischen Kiesbänken hin und her mäandrierten, bildeten das Flussbett. Ablagerungen der Hauptterrassen gibt es mitten im Königsforst und hinter Düren.
(Text: Sven von Loga)
Auf der geführten Tour am 08. Oktober 2022 berichtet der Geologe, Buchautor und Wissenschaftsjournalist Sven von Loga von der spannenden erdgeschichtlichen Entstehung und Vergangenheit der Braunkohle. Hier die Zusammenfassung seines Vortrags.
Buir: Auf der geführten Tour am 08. Oktober 2022 erlebte die Radgruppe einer herzliche Gastfreundschaft im Tennisclub TuS 1889 Buir e. V. Hier wurde die Gruppe mit einer Kaffeepause bestens versorgt und konnte sich zwischendrin entspannen.
Die ursprünglich in der Mitte der Ortgemeinde liegende Kirche steht heute als einsames Gebäude verlassen in einer verwildernden Ortslandschaft. Die Fensterhöhlungen sind mit Pressholzplatten vernagelt und erhöhen den abweisenden Eindruck, der keine Lebendigkeit mehr ausstrahlt. Auch das Kirchengelände ist nicht mehr zugänglich und durch Bauzäune umstellt. Die Kirche ist profaniert und sollte ebenfalls niedergelegt werden. Doch nach der jüngsten politischen Diskussion und der aktuellen Entscheidungen scheint ihr Erhalt jetzt doch gesichert zu sein.
Man kann nur erahnen, welche Bedeutung die große Kirche in Alt-Manheim für die Menschen des Ortes gehabt hat. Für die Fixpunkte des Lebens, Taufen, Kommunionen, Hochzeiten und auch Beerdigungen gab sie den würdigen Rahmen. Bis heute blickt ihr Turm weit in die Landschaft. Das den Heiligen St. Albanus und Leonhardus geweihte Gotteshaus ist ein stolzer neugotischer Bau der 1898 vom Kölner Dombaumeister Franz Statz errichtet wurde und eine lange Vorgeschichte aufweisen kann. Nachweislich wird sie erstmal 1356 erwähnt, doch ihr Alter dürfte weiter zurückreichen.
Der Ort Manheim gilt als umgesiedelt. der alte Ort ist größtenteils verschwunden, einige Hausruinen stehen noch. Aber es gibt auch noch Landwirte und Bewohner, die dort zu Hause sind, ihre Häuser pflegen und die Äcker nach wie vor bearbeiten. Die Ortsstruktur selber ist fast nicht mehr zu erkennen, da nicht nur die Häuser, sondern auch ein Großteil der Straßenzüge abgetragen wurden. Allerdings sind die Versorgungsleitungen noch intakt, und Straßenlaternen zeigen den Verlauf einer ehemaligen Straße an.
Mit der errungenen Entscheidung, den Restbestandes der Hambacher Forstes zu erhalten, wird es keine Kohleförderung in Alt-Manheim mehr geben. Damit bleiben ca 1,1 Mrd. Tonnen Kohle in der Erde. Allerdings ist noch offen, ob die Fläche für den Erdbedarf bei der Stilllegung des Tagesbaus angetragen werden wird.
Am ehemaligen Marktsplatz der Ortschaft treffen wir die Landtagsabgeordnete Antje Grothues, die sich für den Erhalt der Landschaft, der Natur und der Ortschaften einsetzt und über Pläne und Perspektiven nach dem Tagebau berichtet.
Das Grundproblem besteht darin, dass es nicht ausreichend Erdmaterial gibt, mit dem die riesieg Grube gefüllt werden könnte. Insofern plant man, die Grube zu einem großen See umzugestalten, der in seiner Dimension der zweitgrößte See in Deutschland nach dem Bodensee werden würde. Aber auch für die standsichere Abböschung des Sees wird Erdreich benötigt, das nach den aktuellen Plänen aus der Gegend um Manheim abgebaggert werden soll. Darüber hinaus ist in der umliegenden Landschaft mit Grundwasserproblemen und Absenkunge zu rechnen, die ähnlich wie im Ruhrgebiet, ein sog. Ewigkeitsproblem darstellen und weiteres Abpumpen erfordern, mit allen Folgewirkungen.
Veschiedene Pläne für die Renaturierung und Gestaltung der Landschaft liegen vor. Unter anderem die Idee, die ehemlige Trasse der alten Autobahn A4 zu einem grünen Band mit Fahrradschnellweg und Gartenstruktur zu verwandeln. Allerdings laufen hier schon die Abbrucharbeiten.
Ein Blick auf die Trasse der alten Autobahn A4, aufgenommen auf der Fahrradexkursion am 08.Oktober 2022. Wenige Tage später ist dieser Teil der alten Autobahn abgetragen worden.
Autobahnbrücken für Tiere sind in den vergangenen Jahren mancherorts an Abschnitten mit markanten Wildwechsel erichtet worden. In der Regel sind es Brückenbauwerke, die über eine Breite von 50 bis 80 Meter angelegt sind und eine bepflanzte Naturoberfläche haben. Damit haben heimische Landtiere wie Rehwild, Schwarz-, Damm- und Rotwild eine Möglichkeit, in ihren gewohnten Lebensräumen weiter leben zu können. Eine solches Bauwerk ist mit der Verlegung der neuen Autobhan A 4 speziell für Fledermäuse errichtet worden, an der sich die Tiere wie in einem Flugkorridor orientieren können. Links und rechts der Brücke wird der Überflug durch einen 4 Meter hohen Zaun unterbunden und der Flug der Tiere zur Brücke gelenkt.
Die Umwelt-Enzyklika „Laudato si – Über die Sorge für das gemeinsame Haus von Papst Franzikus war Thema eines engagierten Dialoggespräches zwischen der Theologin Regina Oediger-Spinrath und dem Umweltbeauftragten des Erzbistums, Dr. Christian Weingarten. Terra Nova mit Blick auf den gigantischen Tagebau Hambach war ein beeindruckender Ort für die Worte des Papstes. Es ist ein Novum, dass ein Papst eine Enzyklika an alle Menschen auf unserem Planeten adressiert und zu einem breit angelegten interdisziplinären Dialog aufruft, um gemeinsam zu einer neuen universalen Solidarität zu kommen. Dabei ist ihm wichtig die Umweltökologie zu verbinden mit einer neuen Wirtschafts- und Sozialökologie. „Wir kommen nicht umhin … die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde.“ (Laudato si, 49). Zentrale Begriffe sind für ihn Ehrlichkeit, Mut und Verantwortlichkeit. Franziskus bekennt darin auch eine Mitschuld der Kirche am ausbeuterischen Verhalten und zeigt zugleich auf den Schatz unserer christlichen Spiritualität, den es gilt, in den weltumspannenden Dialog einzubringen.
Abschluss der geführten Tour am 08. Oktober 2022 war ein Konzert der Muzenbacher Alphornbläser genau zu der Zeit des Sonnenuntergangs am Tagebau Hambach. Mit der Musik der Alphörner wurde in dieser entkernten Landschaft einen bewegenden Akzent gesetzt! Die tieftonige Alphornmusik hat einen spannungsreichen Kontrast zu dieser Landschaft erzeugen können - statt Berge eine tiefe Grube, statt Echo Unendlichkeit, statt Idylle wüstenartige Anblicke - und sich dennoch mit dieser Umgebung in beeindruckender Weise verbunden. Eine gelungene Form von musikalischer Andacht in dieser besonderen Landschaft.
Die Strecke führt nun wieder zurück an den Ausgangspunkt, zum Bahnhof nach Kerpen-Buir. Nochmals wird dabei der Ort Alt-Manheim durchquert, der abends und in der Dunkelheit eine eigenartige Stimmung verbreitet, da die Straßenbeleuchtungen noch intakt sind, auch an Straßenzügen, die längst verschwunden sind.
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